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1. Dezember 2025
Lesezeit: 3
min.
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EuGH zu Verrechnungspreisanpassungen und Umsatzsteuer
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 4. September 2025 in der Rechtssache C-726/23 – SC Arcomet Towercranes Srl eine Grundsatzentscheidung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Verrechnungspreisanpassungen getroffen.
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Worum ging es in der Entscheidung?
Konkret ging es um Ausgleichszahlungen zwischen einer belgischen Konzernmutter und ihrer rumänischen Tochtergesellschaft, die auf Basis einer Transferpreisvereinbarung jährlich geleistet wurden, um die Gewinnmarge der Tochter auf einen vereinbarten Korridor auszurichten.
Die belgische Muttergesellschaft erbrachte zentrale Management- und Beschaffungsleistungen für die Tochter und trug wesentliche Risiken, während der Tochter über den Vertrag eine Gewinnmarge zwischen –0,71 % und +2,74 % garantiert wurde. War der tatsächliche Jahresgewinn der Tochter höher, stellte die Mutter der Tochter eine Rechnung über den Überschussbetrag (ohne USt) aus; bei Gewinnen unterhalb der Spanne wäre umgekehrt die Mutter ausgleichspflichtig gewesen.
Die rumänische Steuerbehörde betrachtete diese Zahlungen als Entgelt für konzerninterne Dienstleistungen und verweigerte der Tochter den Vorsteuerabzug, weil der Nachweis konkreter Leistungen fehlte.
Wie entschied der EuGH in der Rechtssache?
Der EuGH bestätigte die Auffassung der Behörde: Die an die Mutter geleisteten Gewinnüberschuss-Zahlungen stellen die Gegenleistung für eine steuerbare Dienstleistung dar. Entscheidend sei, dass klar definierte Leistungen der Mutter (z. B. strategische Planung, Lieferantenmanagement) vorlagen, die der Tochter einen wirtschaftlichen Vorteil verschafften, und dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Leistung und Zahlung besteht. Die Ausgleichszahlung war im Vertrag ausdrücklich als Vergütung für die von der Mutter übernommenen Aufgaben bestimmt – somit liegt ein Leistungsaustausch gegen Entgelt vor. Unerheblich ist laut EuGH, dass die konkrete Höhe der Vergütung variabel vom Geschäftsergebnis abhängt oder dass in manchen Jahren keine Zahlung anfällt. Die Vergütungsmodalitäten waren vorab vertraglich fixiert, sodass die Zahlung „frei von Unwägbarkeiten“ sei und nicht etwa ein freiwilliger Gewinntransfer. Auch die theoretische Möglichkeit, dass bei niedrigem Gewinn die Zahlung umgekehrt (von der Mutter an die Tochter) fließen könnte, ändere nichts an der Qualifikation – diese Situation trat im Streitfall nicht ein und blieb daher unerörtert.
Neben der Steuerpflicht dieser Leistungen entschied der EuGH in Bezug auf den Vorsteuerabzug zugunsten der Finanzverwaltung: Artikel 168 und 178 MwStSystRL stehen einer behördlichen Anforderung weiterer Unterlagen neben der Rechnung nicht entgegen. Steuerbehörden dürfen also zusätzliche Belege einfordern, um die tatsächliche Ausführung der in Rechnung gestellten Leistungen und deren Verwendung für die besteuerten Umsätze des Leistungsempfängers nachzuweisen. Diese Anforderung muss jedoch erforderlich und verhältnismäßig sein. Es genügt nicht, alleine wegen formaler Rechnungsmängel den Vorsteuerabzug abzulehnen – maßgeblich sind die materiellen Voraussetzungen (d.h. es muss tatsächlich eine Leistung eines anderen Unternehmers für das Unternehmen des Leistungsempfängers erbracht worden sein).
Die Behörde darf jedoch z. B. Tätigkeitsberichte, Leistungsbeschreibungen o.ä. verlangen, sofern diese für die Beurteilung nötig sind. Nicht verlangt werden darf, den „Nutzen“ oder die Notwendigkeit der Leistung für die Geschäftstätigkeit des Empfängers zu belegen – denn für den Vorsteuerabzug ist allein die Verwendung für steuerpflichtige Umsätze entscheidend, nicht die ökonomische Sinnhaftigkeit.
Welche praktischen Auswirkungen ergeben sich für Unternehmen?
Das Urteil hat erhebliche praxisrelevante Konsequenzen für Unternehmen. Verrechnungspreisanpassungen dürfen nun nicht mehr pauschal als umsatzsteuerlich irrelevant angesehen werden, sondern müssen auf einen Leistungsbezug geprüft werden. Der EuGH stellt klar, dass gewinnbasierte Anpassungszahlungen der USt unterliegen, sofern ihnen eine konkrete Leistung zugrunde liegt. In der Vergangenheit war die Behandlung solcher Year-End Adjustments uneinheitlich und oft umstritten.
TPA Tipp
Konzerninterne Verträge und Policies sollten analysiert werden im Hinblick auf Year End Adjustments. Sofern solchen nachträglichen Anpassungen eine konkrete Leistungspflicht gegenübersteht, sollte die Umsatzsteuerpflicht geprüft werden und gegebenenfalls die Rechnungslegungsprozesse anpasst werden.
TPA Tipp
Für alle konzerninternen Leistungen – speziell solche mit variabler Vergütung – sollte eine detaillierte Dokumentation vorhanden sein (Vertrag, Leistungsumfang, Empfängervorteil). Im Lichte des EuGH-Urteils kann diese nicht nur für die Verrechnungspreisverteidigung, sondern auch als Beweis für den Vorsteuerabzug dienen. Der in der Transferpreisdokumentation verankerte „Benefit Test“ (Nachweis des Nutzens einer Leistung für die Empfängergesellschaft) gewinnt nun auch umsatzsteuerlich an Bedeutung und kann helfen darzulegen, dass tatsächlich steuerbare Leistungen erbracht wurden, die den wirtschaftlichen Aktivitäten des Leistungsempfängers zugeordnet sind.