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15. Dezember 2025
Lesezeit: 2
min.
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Gibt es die doppelte Nichtbesteuerung doch?
Was die aktuellen VwGH-Entscheidungen für Steuerpflichtige bedeuten
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) sollen eigentlich verhindern, dass Einkommen in zwei Staaten gleichzeitig besteuert wird. Doch was passiert, wenn am Ende kein Staat Steuern erhebt? Diese Situation nennt man doppelte Nichtbesteuerung oder „weiße Einkünfte“. Sie ist zwar politisch unerwünscht, aber nicht automatisch rechtswidrig. Zwei aktuelle Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) zeigen nun klar: Österreich darf solche Fälle nicht einfach durch eigene Auslegung korrigieren – solange das Abkommen selbst keine entsprechende Regelung vorsieht.
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Warum kommt es dazu?
Viele österreichische DBA verwenden die sogenannte Freistellungsmethode. Das bedeutet: Österreich als Ansässigkeitsstaat muss Einkünfte von der Besteuerung ausnehmen, wenn das Abkommen dem anderen Staat das Besteuerungsrecht zuweist. Ob dieser andere Staat tatsächlich Steuern erhebt, spielt dabei keine Rolle.
Die Folge: Wenn der Quellenstaat keine Steuer einhebt, bleiben die Einkünfte komplett steuerfrei. Nur moderne Abkommen mit einer Subject-to-tax- oder Switch-over-Klausel erlauben Österreich, in solchen Fällen doch zu besteuern. Ältere Verträge enthalten diese Sicherungen oft nicht.
Was waren die konkreten Fälle?
Die Entscheidungen betreffen Schweizer AHV-Renten. Diese Renten gelten steuerlich als Ruhegehälter aus früherer Erwerbstätigkeit und fallen daher unter Art. 19 DBA Österreich–Schweiz. Dieser Artikel gibt der Schweiz das alleinige Besteuerungsrecht.
Da die Schweiz diese Renten aber nicht besteuert, entsteht eine doppelte Nichtbesteuerung. Die österreichische Finanzverwaltung wollte das vermeiden und stützte sich auf eine Konsultationsvereinbarung, nach der bestimmte AHV-Leistungen als „andere Einkünfte“ (Art. 21) behandelt werden sollten. Damit hätte Österreich besteuern können.
Was sagt der VwGH?
Der VwGH hat diese Praxis klar abgelehnt:
- Konsultationsvereinbarungen können die Auslegung unterstützen, aber sie dürfen keine neuen Besteuerungsrechte schaffen.
- Maßgeblich ist der Wortlaut des Abkommens. Solange dieser eindeutig ist, gibt es keinen Spielraum für „teleologische“ Korrekturen.
- Auch der allgemeine Zweck eines DBA (Vermeidung einer Doppelbesteuerung) rechtfertigt keine Abweichung.
Selbst Art. 3 Abs. 2 OECD-Musterabkommen als Auslegungsregel hilft hier nicht weiter, weil er nur die Auslegung unklarer Begriffe erlaubt – dies war nicht der Fall.
Was bedeutet das für die Praxis?
Die Entscheidungen zeigen:
- Doppelte Nichtbesteuerung ist im bestehenden System möglich und rechtlich zulässig, solange das Abkommen keine andere Regel vorsieht.
- Verwaltungspraxis oder Vereinbarungen auf Verwaltungsebene können das nicht ändern.
- Wenn Staaten solche Situationen vermeiden wollen, müssen sie die Abkommen anpassen oder zusätzliche Klauseln vorsehen.
Bis dahin gilt: Das Abkommen entscheidet, nicht das steuerpolitisch gewünschte Ergebnis.