Die aktuelle Rechtsprechung lässt teilweise Erleichterungen bezüglich der Rechnungsmerkmale erkennen. Ein grundsätzliches Abgehen von den Formalerfordernissen für einen Vorsteuerabzug ist daraus allerdings nicht zu abzuleiten. Insofern bleibt eine durchgängige und vollständige Rechnungsprüfung auf die Merkmale absolut erforderlich.
Aktuelle EuGH-Judikatur zu Rechnungsmerkmalen
Ausgangspunkt der neueren Entwicklung hinsichtlich Rechnungsmängeln und Vorsteuerabzug sind insbesondere zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), die sich
- einerseits mit ungenauen Rechnungsangaben und
- andererseits mit der Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung
beschäftigt haben.
Im Ergebnis hat der EuGH trotz ungenauer Rechnungsangaben den Vorsteuerabzug dennoch zugelassen – insbesondere aufgrund ergänzend beigebrachter Unterlagen und Informationen zum Leistungszeitraum. In der Entscheidung über die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung hat der EuGH die Rückwirkung trotz späterer Ergänzung der UID Nummer ebenfalls zugelassen.
Umsatzsteuerrichtlinien des BMF
In Österreich hat das Bundesministerium für Finanzen (BMF) ebenfalls auf die Entscheidungen reagiert. In den Umsatzsteuerrichtlinien (UStR 2000) findet sich
- eine teilweise Entschärfung betreffend Formalanforderungen an eine Rechnung (Rechnungsmerkmale) und
- eine Lockerung der Bestimmungen zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzuges.
Zu beachten ist aber trotz kleiner erkennbarer Erleichterungen, dass diese Lockerungen einen sehr engen Anwendungsbereich haben dürften:
Rechnungsmerkmale in Österreich
Eine mögliche spätere Ergänzung für den (rückwirkenden) Vorsteuerabzug wird nur für die Rechnungsmerkmale „Leistungsbeschreibung“ und „Leistungszeitraum“ anerkannt, wenn diese Merkmale zwar unzureichend erfüllt sind, aber aufgrund weiterer Unterlagen feststellbar sind.
Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung
Für die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung halten die Umsatzsteuerrichtlinien lediglich fest, dass eine Berichtigung im Verlauf einer finanzbehördlichen Überprüfung möglich sein soll, wobei die finanzbehördliche Überprüfung sowohl Maßnahmen des Außendienstes als auch des Innendienstes umfasst. Die rückwirkende Rechnungsberichtigung ist nach Ansicht des BMF somit wie bisher auf jene Fälle beschränkt, in denen die Finanzverwaltung Rechnungsmängel feststellt und die Möglichkeit einer Berichtigung einräumt. Eine automatische und freiwillig umsetzbare Möglichkeit der Rechnungsberichtigung (zB wenn bei der Bilanzerstellung Rechnungsmängel festgestellt werden) besteht demnach weiterhin nicht (siehe unten).
Judikaturwende in Österreich bei Rechnungen
Diese Sichtweise ist zwischenzeitig auch schon in einzelne Entscheidungen in Österreich eingeflossen:
Rückwirkende Rechnungsberichtigung auch vor dem BFG
Mit Entscheidung vom 01.06.2017 (RV/2100294/2015) hat das Bundesfinanzgericht (BFG) einer Beschwerde stattgegeben, in welcher der Steuerpflichtige im Rahmen einer Beschwerde gegen einen Bescheid über die Vorsteuerrückerstattung berichtigte Rechnungen nachgereicht hatte. In der Entscheidung kommt das BFG unter Verweis auf Entscheidungen des EuGH vom 15.09.2016 (Rechtssache C-516/14, Barlis 06, RS1216655, Tz. 43 sowie Rechtssache C 518/14, Senatex GmbH) zum Ergebnis, dass die rückwirkende Wirkung einer Rechnungsberichtigung nicht nur auf Fälle einer Außenprüfung anwendbar sein kann, sondern auch eine Korrektur während des Beschwerdeverfahrens möglich sein muss.
Nachreichung bei „Leistungsbeschreibung“ und „Leistungszeitraum“ vor dem BFG
In einer anderen Entscheidung des BFG vom 09.05.2017 (RV/7102673/2013) hatte das BFG ein späteres Konkretisieren der Rechnungsmerkmale „Leistungsbeschreibung“ und „Leistungszeitraum“ zu beurteilen. Mit Verweis auf die Entscheidung des EuGH vom 15.09.2016 (Rechtssache C 518/14, Senatex GmbH) und § 270 BAO ist das BFG zur Entscheidung gelangt, dass eine Nachreichung fehlender Rechnungsmerkmale vor dem Verwaltungsgericht BFG ebenfalls zum rückwirkenden Vorsteuerabzug berechtigt.
Fazit: Rechnungsmerkmale weiterhin beachten!
Für Unternehmer in Österreich bedeuten die aktuellen rechtlichen Änderungen auch weiterhin alle Merkmale von Rechnungen einzuhalten:
- Aus praktischer Sicht wird weiterhin genau auf die vollständige Einhaltung der Rechnungsmerkmale zu achten sein, weil die möglichen Fälle einer Anerkennung und einer Rückwirkung des Vorsteuerabzuges aus derzeitiger Sicht nicht uneingeschränkt sind.
- Auch künftig ist eine enge Anwendung der Erleichterungen aus der Judikatur zu erwarten.
- Mangelhafte Rechnungen werden weiterhin zu unangenehmen Diskussionen bei Betriebsprüfungen und ähnlichen Überprüfungen führen.
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