Neu: Besteuerung der digitalen Wirtschaft – Globale Mindestbesteuerung

23. Feber 2020 | Lesedauer: 6 Min

Digitalisierung / Digitalisation

1. Allgemeines zum Two-Pillar-Approach: Neuverteilung & globale Mindestbesteuerung

Das Inclusive Framework on BEPS (IF), das aus 137 Staaten und Jurisdiktionen besteht, hat am 31.01.2020 ein Statement by the OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS on the Two-Pillar Approach to Address the Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy veröffentlicht, das als Basis für Lösung der Besteuerungsprobleme in Zusammenhang mit der digitalen Wirtschaft dienen soll. Diesem Konzeptpapier liegt die Zwei-Säulen-Strategie zugrunde, die sich einerseits mit der Neuverteilung von Besteuerungsrechten und Erarbeitung eines neuen Nexus-Ansatzes beschäftigt (Säule I) und sich andererseits der Schaffung von Bestimmungen für eine globale Mindestbesteuerung (Säule II) widmet.

2. Bisherige Entwicklung der Besteuerung in der Digitalwirtschaft

Der Spatenstich für das aktuelle Konzeptpapier erfolgte mit dem Abschlussbericht zum Aktionspunkt 1 aus dem Jahr 2015 iR des BEPS Projekts, in dem die OECD erstmals steuerliche Fragenstellungen iZm der Digitalwirtschaft identifiziert hat. Im Anschluss an den Abschlussbericht haben die OECD und dieG20 in 2016 das Inclusive Framework on BEPS errichtet, das interessierten Staaten und Gebieten zusammen mit den OECD- und G20-Mitgliedern die Möglichkeit bietet, an der Erarbeitung von Standards für BEPS-Fragen mitzuwirken und die Umsetzung des BEPS-Pakets insgesamt zu prüfen und zu begleiten. Dem Abschlussbericht zum BEPS Aktionspunkt 1 ist im Jahr 2018 ein Zwischenbericht mit dem Titel „Steuerliche Herausforderungen der Digitalisierung“ gefolgt, der die iR des IF vereinbarte Ausrichtung der Arbeiten zu den Auswirkungen der Digitalisierung erläutert.

Neue Dynamik in die Entwicklung auf dem Gebiet der Besteuerung der digitalisierten Wirtschaft hat die Grundsatzerklärung der OECD aus Jänner 2019 gebracht, mit der sie angekündigt hat, die multilateralen Arbeiten mit einer konsensbasierten, längerfristigen Lösung bis 2020 abschließen zu wollen. Bereits im Februar 2019 ist ein Konsultationsentwurf gefolgt, in dem erstmals konkrete Maßnahmen zur Begegnung der Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft vorgestellt wurden. Diese beruhen auf der oben erwähnten Zwei-Säulen-Strategie. Da jedoch in dem Konsultationsentwurf für die Säule I drei (unterschiedliche) Alternativvorschläge basierend auf Nutzerbeteiligung (i), Marketing- Distributionsfunktionen (ii) bzw signifikanter wirtschaftlicher Präsenz (iii) und zwei Methoden zur Gewinnaufteilung,

  • erstens die modifizierte Gewinnteilungsmehtode (für i und ii) und
  • zweitens die formalhafte Aufteilung (für iii),

enthalten waren, wurde vom IF ein Arbeitsprogramm beschlossen, in dem die mit den Alternativvorschlägen verbundenen Problemstellungen festgestellt und den einzelnen Arbeitsgruppen der OECD zur Bearbeitung zugewiesen wurden.

NEU: Änderung der Gewinnverteilung und Regelungen zu einer globalen Mindestbesteuerung

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass im Arbeitsprogramm nicht mehr über die „Digitalwirtschaft“ sondern die „Digitalisierung der Wirtschaft“ gesprochen wird. Dies wird wie folgt begründet: The Action 1 Report found that the whole economy was digitalising and, as a result, it would be difficult, if not impossible, to ring-fence the digital economy.“ Dies erklärt auch, warum in das Arbeitsprogramm neben den schon traditionell iZm mit dem BEPS Aktionspunkt 1 stehenden Themen (neuer Nexus-Ansatz) auch andere Themen wie die Änderung der Gewinnverteilung und Regelungen zu einer globalen Mindestbesteuerung Eingang gefunden haben.[Vgl Thörmer, Ein Plädoyer für die weitere Harmonisierung der direkten Steuern in der EU und entsprechende Vorschläge]

Um einerseits das proklamierte Ziel einer Konsenslösung im Jahr 2020 zu erreichen und andererseits die Verhandlungen zwischen den Ländern zu erleichtern, hat das Sekretariat der OECD selbst die Initiative übernommen und einen Entwurf des Unified Approach ausgearbeitet. Es hat sich dabei noch um keine Konsenslösung des IF gehandelt,  er hat vielmehr auf den Gemeinsamkeiten der drei unterschiedlichen Alternativvorschläge aufgebaut, die für sich alleine nicht konsensfähig waren und sollte als Ausgangsbasis für die Lösungsfindung im IF dienen. Das IF hat nach seiner Sitzung von 29. bis 30.01.2020 auf Basis des Sekretariatsvorschlags und nach Einarbeitung von öffentlichen Kommentaren und Rückmeldungen der IF – Staaten einen überarbeiteten Entwurf des Unified Approach beschlossen, der am 31.01.2020 präsentiert wurde. Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel die Eckpfeiler des überarbeiteten Unified Approach zur Säule I kurz zu präsentieren.

3. Neuer Nexus in der Digitalisierung der Wirtschaft

Die erste Säule – „Pillar One“ beschäftigt sich mit der Schaffung eines neuen Nexus, der den einzelnen Marktjurisdiktionen Besteuerungsrechte an Unternehmensgewinnen unabhängig von der physischen Präsenz eines Unternehmens zuteilen soll. Für die Besteuerung der Unternehmensgewinne im Quellenstaat soll daher nicht wie bisher eine Betriebsstätte oder ein ständiger Vertreter erforderlich sein, sondern diese soll künftig auf die geschäftlichen Aktivität in der Marktjurisdiktion (significant and sustained engagement) anknüpfen. Die Umsatzerzielung in der Marktjurisdiktion über mehrere Jahre hinweg, dient dabei als Hauptbeweis für das Vorliegen des erforderlichen Engagements am Markt.

Der persönliche Anwendungsbereich des neuen Nexus – Ansatzes soll nur auf multinationale Unternehmen beschränkt sein, die folgende, noch näher auszuführende,  Umsatzschwellen überschreiten:

  • Multinationale Unternehmen müssen eine konkrete Bruttoumsatzschwelle überschreiten, das könnten zB EUR 750 Mio (wie bei dem Country-by-Country-Reporting) sein;
  • zusätzlich muss eine Minimumumsatzschwelle der aggregierten Gesamteinnahmen innerhalb des Geltungsbereichs, angepasst an die jeweilige Marktgröße, überschritten werden sowie
  • der an eine Marktjurisdiktion zuzuweisende Gewinn, muss eine noch zu bestimmende De-minimis-Grenze erreichen.

Vom Anwendungsbereich des neuen Nexus – Ansatzes (der globalen Mindestbesteuerung & Gewinnverteilung) sollen Unternehmen erfasst sein, die grenzüberschreitend Geschäftsmodelle betreiben, welche automatisierte digitale Dienstleistungen – „automated digital services“ erbringen oder zu den verbraucherorientierte Unternehmen – „consumer-facing businesses“ zählen.

Automatisierte digitale Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die in standardisierter Form an eine Vielzahl von Kunden oder User erbracht werden, wie beispielsweise Dienstleistungen von:

  • Suchmaschinen;
  • Social-Media Plattformen;
  • Online Intermediären und Marktplätzen, im B2C und B2B-Bereich;
  • Streamingplattformen;
  • Onlinespiele;
  • Cloud Computing;

Der überarbeitete Entwurf des Unified Approach enthält derzeit keine näheren Ausführungen zu den einzelnen Definitionen, es werden daher noch weitere Arbeiten zu Konkretisierung der Begriffe erforderlich sein. Insbesondere werden die automatisierten digitalen Dienstleistungen von sonstigen Dienstleistungen abzugrenzen sein, die zwar an den Empfänger online erbracht werden können, jedoch in hohem Maße menschlicher Mitwirkung und Urteilsvermögen bedürfen, und nicht in den Anwendungsbereich des Nexus fallen sollten. Es handelt sich zB um Leistungen im Bereich der Rechts- und Steuerberatung, Architekten, Industrie oder Consulting.

Verbraucherorientierte Unternehmen sind Unternehmen, die Umsätze aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen an Konsumenten erzielen. Vom Anwendungsbereich umfasst sind auch indirekte Verkäufe durch Wiederverkäufer. In der  Vorstellung des IF soll der Anwendungsbereich des Nexus – Ansatzes verbraucherorientierte Unternehmen in folgenden Bereichen erfassen: [16]

  • Produkte der persönlichen Datenverarbeitung (z.B. Software, Haushaltsgeräte, Handys);
  • Kleidung, Toilettenartikel, Kosmetika, Luxusgüter;
  • Markenlebensmittel und Erfrischungen;
  • Franchise-Modelle von Restaurant- und Hotelketten

Außerhalb des Anwendungsbereiches sollten Unternehmen bleiben, die Umsätze aus dem Verkauf von Zwischenprodukten und Komponenten erzielen.

Um die volkswirtschaftlichen Effekte der Zwei-Säulen-Strategie abzuschätzen, hat die OECD eine Studie durchgeführt, bei der Daten aus über 200 Staaten und Regionen sowie über 27.000 internationalen Konzernen analysiert wurden. Die Ergebnisse wurden am am 13. Februar 2020 präsentiert. Die Studie ist zum Ergebnis gekommen, dass sich die Auswirkungen der geplanten Reform auf 100 Milliarden US-Dollar (bzw 4 % der weltweiten Körperschaftsteuereinnahmen) jährlich belaufen. Der Analyse zufolge sollten von den Maßnahmen der ersten Säule insbesondere Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen profitieren, bei den führenden Volkswirtschaften ist hingegen ein verhältnismäßig niedrigerer Anstieg der Steuereinnahmen zu erwarten. Die Studie hat weiters gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Gewinne, für die die Besteuerungsrechte umverteilt werden sollen, aus Hundert großen multinationalen Konzernen stammen.

4. Ausblick

Die nächste Tagung des IF ist für Juli 2020 in Berlin geplant, auf der eine weitere Konkretisierung der Bestimmungen des vorliegenden Entwurfs des Unified Proposal erfolgen soll, um bis Ende 2020 innerhalb der OECD einen gemeinsamen Vorschlag beschließen zu können. Es ist beabsichtigt den neuen Nexus in einer alleinstehenden Regel zusätzlich zu Artikel 5 OECD-MA einzuführen.

5. Exkurs: Rechtslage in Österreich

Da die OECD bis zu einer gemeinsamen Lösung den Weg für Alleingänge von Mitgliedstaaten offen gelassen hat, haben einige Mitgliedstaaten die Chance genutzt, um Übergangslösungen zu erlassen. Mangels einer Einigung auf eine Richtlinie zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft auf Ebene der EU, hat sich Österreich entschlossen, den Anwendungsbereich der bestehenden Werbeabgabe, die bisher auf „Offline-Werbung“ beschränkt war, auf Online-Werbeleistungen auszudehnen. Die Vorschriften des neuen Digitalsteuergesetz 2020 (DiStG 2020)  sind an den gescheiterten Richtlinienvorschlag einer europäischen Digitalsteuer angelehnt. Das österreichisch Digitalsteuergesetz ist am 01.01.2020 in Kraft getreten. Das BMF hat eine Verordnung zur näheren Regelung der Umsetzung des Digitalsteuergesetzes 2020 (DiStG 2020-UmsetzungsV) erlassen, die ebenfalls seit dem 01.01.2020 in Kraft ist.

Dieser Artikel von den TPA Experten Melanie Mischkreu und Maria Forsich ist auf Linde Digital erschienen.

Kontaktieren Sie