Im Oktober 2015 hat die OECD das finale Maßnahmenpaket zum BEPS Projekt (Base Erosion and Profit Shifting) der OECD/G20 veröffentlicht. Ziel dieses Projekts ist es, Steuervermeidungspraktiken in internationalen Konzernstrukturen zu verhindern und eine faire Besteuerung internationaler Unternehmen sicherzustellen.
Auf Basis des am 24. November 2016 veröffentlichten Textes für ein multilaterales Abkommen (MLA) ist nunmehr mit einer raschen Implementierung vieler BEPS Standards zu rechnen.
1. Worum geht es bei dem multilateralen Abkommen?
Viele der OECD BEPS Maßnahmen erfordern für deren Umsetzung eine Änderung von Doppelbesteuerungsabkommen. Da die Neuverhandlung von Doppelbesteuerungsabkommen grundsätzlich immer bilateral zwischen den jeweiligen Staaten erfolgt und in der Regel ein jahrelanger Prozess ist, wurde von der OECD ein multilaterales Abkommen („MLA“) entwickelt. Dies soll eine koordinierte und rasche Umsetzung der BEPS Maßnahmen ermöglichen.
Die Inhalte des multilateralen Abkommens werden in der Folge die zwischen den jeweiligen Staaten bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen ergänzen oder ändern.
Aktuelle Doppelbesteuerungsabkommen in CEE-Ländern
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2. Welche Länder sind umfasst?
Das MLA wurde von einer Ad-hoc Gruppe, bestehend aus Vertretern von mehr als 100 Staaten, entwickelt. Die Liste der in der Ad-hoc Gruppe vertretenen Staaten ist auf der OECD Website abrufbar:
Auch Österreich war in dieser „Ad-hoc-Gruppe“ vertreten und wird das MLA voraussichtlich unterzeichnen.
3. Ab wann wird das multilaterale Abkommen wirksam?
Mit Ende Dezember 2016 soll das MLA zur Unterzeichnung aufliegen, um dann rasch ratifiziert zu werden.
Damit das MLA wirksam wird, ist dessen Unterzeichnung sowie Ratifizierung durch zumindest fünf Staaten erforderlich. Es ist abzusehen, dass dies voraussichtlich bis Juni 2017 der Fall sein wird.
Festzuhalten ist, dass für das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen Änderungen erst dann wirksam sind,
- wenn alle Vertragsparteien des Abkommens das MLA unterzeichnet und ratifiziert haben und
- die jeweils anzuwendenden Neuregelungen klar definiert sind (hierfür ist eine gewisse Frist noch zu definieren).
Aus derzeitiger Sicht werden die Änderungen somit voraussichtlich erst ab 2018 rechtlich wirksam werden.
4. Für welche Doppelbesteuerungsabkommen gilt das multilaterale Abkommen?
Generell besteht für Staaten die Möglichkeit, das MLA auf die Gesamtheit oder auch nur Teile ihres DBA Netzwerkes anzuwenden. Nur wenn alle Vertragsparteien eines DBA dieses durch das MLA modifizieren wollen, ist das MLA anwendbar.
5. Was sind die konkreten Änderungen durch das MLA?
Grundsätzlich betreffen die meisten Änderungen Verschärfungen für die Inanspruchnahme von Begünstigungen in den Doppelbesteuerungsabkommen.
Soweit ein DBA unter den Anwendungsbereich des neuen MLA fällt, können die Vertragsparteien – mit Ausnahme der verbindlichen Mindeststandards – frei definieren, welche DBA Klauseln konkret neu ergänzt oder adaptiert werden sollen. Dies soll dem MLA Flexibilität verleihen, um den unterschiedlichen Anforderungen der Staaten gerecht zu werden und größtmögliche Akzeptanz zu erlangen.
Bei der Umsetzung sind drei unterschiedliche Typen von Klauseln zu unterscheiden.
- Mindeststandards
- Opt-Out Klauseln
- Opt-In Klauseln
5.1 Mindeststandards
Die verbindlichen Mindeststandards, die von allen unterfertigenden Staaten verpflichtend zu übernehmen sind, betreffen nur wenige Bereiche.
Hervorzuheben ist diesbezüglich vor allem eine generelle Anti-Missbrauchsbestimmung („Principal Purpose Test“): Diese Klausel ist verpflichtend umzusetzen und soll „Treaty Shopping“ Fälle ausschließen. Treaty Shopping meint Fälle, bei denen eine Struktur nur deswegen in einer bestimmten Art und Weise gestaltet wird, um sich in ein günstiges Doppelbesteuerungsabkommen „einzukaufen“.
5.2 Opt-Out Klauseln
Neben den Mindeststandards gibt es bestimmte Opt-Out Regelungen. Diese Opt-Out Regelungen können von einem Staat nur einheitlich für alle Doppelbesteuerungsabkommen bzw. Untergruppen von Doppelbesteuerungsabkommen angewendet werden. Diese betreffen unter anderem:
- Betriebsstätten
Dies betrifft Verschärfungen bei Kommissionärsstrukturen und Einschränkungen bei den sogenannten Hilfsbetriebsstätten. Unter anderem werden dadurch große Lager, die in einem Land unterhalten werden, nunmehr als Betriebsstätte angesehen („lex Amazon“). Bei Baubetriebsstätten soll eine künstliche Betriebsstättenvermeidung durch Contract Splits – also der Aufteilung eines Projekts auf mehrere Konzerngesellschaften – unterbunden werden.
- Immobilienklausel
Neu ist auch eine Anti-Missbrauchsbestimmung im Zusammenhang mit der in vielen DBAs vorhandenen Immobilienklausel. Hier ist vorgesehen, dass für die Beurteilung, ob eine Immobiliengesellschaft vorliegt, ein rückwirkender Beobachtungszeitraum von 365 Tagen zu berücksichtigen ist. Damit soll ausgeschlossen werden, dass mittels Umgründung die Anwendung der Immobilienklausel – mit einem Besteuerungsrecht des Lagestaats der Immobilie bei Veräußerung der Immobiliengesellschaft – vermieden werden kann.
- Begünstigungen von Dividenden
Reduktionen oder Befreiungen von Quellensteuer für Schachteldividenden (Dividenden an eine Körperschaft) sollen erst ab einer Mindestbehaltedauer von 365 Tagen zustehen. Ausschüttungen vor Ablauf dieser Dauer sollen nur dem allgemeinen (und in der Regel weniger günstigen) Quellensteuersatz des DBA unterliegen.
- Anti-Missbrauchsregelungen
Auch Anti-Missbrauchsregelungen im Zusammenhang mit hybriden und doppelt ansässigen Gesellschaften sind Klauseln im Rahmen des Opt-out Regime.
5.3 Opt-In Klauseln
Opt-In Regelungen haben üblicherweise nur Gültigkeit, sofern alle Vertragsparteien eines DBA die Klausel für das konkrete DBA umsetzen.
Beispiele dafür sind etwa:
- „Limitation on Benefits Provision“
Dies ist eine spezifische Anti-Missbrauchsbestimmung, die definiert, unter welchen Umständen Körperschaften ein DBA anwenden dürfen. - Schiedsverfahren für Besteuerungskonflikte
Dieses Schiedsverfahren ist eine Ergänzungen zu den bereits in den Abkommen verankerten Verständigungsverfahren und wurde im Rahmen des OECD BEPS Aktionsplans komplett neu ausverhandelt.
6. Wie geht es weiter?
Nur die wenigsten Regelungen des MLA sind als verpflichtende Mindeststandards ausgestaltet. Daher werden die konkreten Auswirkungen auf spezifische internationale Geschäftsmodelle davon abhängen, wie die Umsetzung durch die unterzeichnenden Staaten erfolgt.
Dass das Schiedsverfahren nicht als Mindeststandard – sondern im Gegenteil in schwächstmöglicher Ausprägung – im MLA umgesetzt wurde, ist aufgrund der sonst erfolgten Verschärfungen und des damit stark steigenden Risikos der Doppelbesteuerung als verpasste Chance zu sehen.
Abzuwarten bleibt insbesondere auch die Umsetzung von österreichischer Seite, wobei davon ausgegangen werden kann, dass die überwiegende Anzahl der „Opt-Out Regelungen“ von Österreich in die Abkommenspraxis umgesetzt werden.
Wir empfehlen daher jedenfalls, diese Regelungen im Hinblick auf das jeweilige Geschäftsmodell zu prüfen und gegebenenfalls frühzeitig Anpassungen vorzunehmen.
Kontaktieren Sie Iris Burgstaller, TPA Expertin für internationale Steuerberatung, Verrechnungspreise und internationales Projektgeschäft und die steuerliche Strukturierung grenzüberschreitender Geschäftsfälle.
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