ATAD: Was ist die EU-Zinsschranke?
Die EU-Zinsschranke – und damit auch der eingeschränkte Zinsenabzug – kommt. Das hat der Rat der EU beschlossen. Damit soll vor allem die Verlagerung von Gewinnen ins Ausland unterbunden werden. Die Umsetzung in Österreich wird vermutlich noch einige Jahre auf sich warten lassen. Wie sich Unternehmen aber schon jetzt optimal auf die neuen Bestimmungen vorbereiten können, lesen Sie hier.
Am 12. Juli 2016 hat der Rat der EU eine neue Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken beschlossen. Besonders die Verschiebung von Steuersubstrat innerhalb von Konzernen ist im Visier der EU. Die Richtlinie sieht ua. die Einführung einer sogenannten „Zinsschranke“ vor, die – abhängig von bestimmten Kennzahlen – zu einem Abzugsverbot von Fremdkapitalkosten führt.
- Update November 2020: Alles zur Zinsschranke in Österreich 2021!
1. Worin besteht die Zinsschranke?
Fremdkapitalkosten sollen nur noch insoweit steuerlich abzugsfähig sein, als der Überschuss der Fremdkapitalkosten 30 % des Ergebnisses des Steuerpflichtigen vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) nicht übersteigt.
2. Welche Fremdkapitalkosten sind betroffen?
Die Zinsschranke betrifft die gesamten Fremdkapitalkosten. Und zwar unabhängig davon, ob der Fremdkapitalgeber ein Dritter (zB Bank) oder eine Konzerngesellschaft ist.
3. Wie wird die Zinsschranke ermittelt?
Der Überschuss der Fremdkapitalkosten wird in Art 2 der Richtlinie im Wesentlichen als der Überschuss der Zinsenaufwendungen über die vom Steuerpflichtigen bezogenen Zinsenerträge definiert. Der Begriff „Zinsen“ wird dabei weit gefasst.
Das EBITDA wird in Art 4 der Richtlinie als steuerliche Größe definiert, die retograd zu ermitteln ist. Zur Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer werden die steuerlich relevanten überschüssigen Zinsaufwendungen sowie die berücksichtigten steuerlichen Abschreibungen wieder hinzugerechnet.
Vereinfachtes Berechnungsschema:
- + Körperschaftsteuerlicher Gewinn
- + Überschuss der steuerlich relevanten Fremdkapitalkosten
- + abzugsfähige steuerliche Abschreibungen
- = EBITDA lt. EU-Richtlinie
- x 30 %
- = Höchstbetrag der steuerlich abzugsfähigen Fremdkapitalkosten
4. Was passiert mit nicht abzugsfähigen Fremdkapitalkosten oder nicht genützten EBITDA-Beträgen?
Die einzelnen Mitgliedstaaten können eine periodenübergreifende Anwendung der Zinsschranke vorsehen:
- Zeitlich unbegrenzter Vortrag für in einem Jahr nicht abzugsfähige überschüssige Fremdkapitalkosten
- Eventuell auch ein maximal dreijähriger Rücktrag für nicht abzugsfähige überschüssige Fremdkapitalkosten
- Eine auf maximal 5 Jahre beschränkte Vortragsfähigkeit ungenutzter EBITDA-Reserven.
Ob Österreich diese wirtschaftlich sinnvollen Vereinfachungsregeln umsetzen wird – und wenn ja, welche – bleibt abzuwarten.
5. Gibt es Ausnahmen von der EU-Zinsschranke?
Die Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten folgende Möglichkeiten für Ausnahmen von der EU-Zinsschranke ein:
- Recht auf Abzug der überschüssigen Fremdkapitalkosten von bis zu EUR 3 Mio.
- Recht auf vollständigen Abzug für eigenständige Unternehmen, die keine Konzernunternehmen sind
- Ausnahme für die Finanzierung langfristiger öffentlicher Infrastrukturprojekte und
- Ausnahme für Finanzunternehmen (zB Banken, Versicherungen).
Erklärtes Ziel der Zinsschranke ist, der Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage im Binnenmarkt und der Verlagerung von Gewinnen ins Ausland entgegenzuwirken.
Daher soll ein Zinsabzug selbst dann zustehen, wenn zwar die EBITDA-Quote von 30 % überschritten wird, aber trotzdem sichergestellt ist, dass Fremdkapitalkosten im Konzern gleichmäßig verteilt sind. Zwei Varianten sind dafür vorgesehen und können von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden:
- Der volle Zinsenabzug soll auch möglich sein, wenn die Eigenkapitalquote des betreffenden Konzernunternehmens höchstens 2 % unter jener des Gesamtkonzerns liegt. Wie die Eigenkapitalquote zu ermitteln ist, wird von den einzelnen Mitgliedstaaten im Detail zu regeln sein.
- Außerdem soll ein Zinsenabzug möglich sein, wenn die Unternehmens-Gruppe insgesamt im Verhältnis zum EBITDA höher verschuldet ist, und das lokale Konzernunternehmen Fremdkapitalkosten unter der Konzernquote aufweist.
6. Ab wann ist die Zinsschranke umzusetzen?
Die Richtlinie ist von den einzelnen nationalen Gesetzgebern grundsätzlich bis 1. Jänner 2019 in nationales Recht umzusetzen.
Eine verlängerte Frist für die Umsetzung bis 1. Jänner 2024 ist dann vorgesehen, wenn ein Mitgliedstaat bereits über gezielte nationale Vorschriften verfügt, die gleich wirksam sind wie die Zinsschranke.
In Österreich kommt dafür das bereits geltende steuerliche Abzugsverbot für konzerninterne Zinszahlungen in Niedrigsteuerländer nach § 12 Abs. 1 Z 10 KStG (Körperschaftsteuergesetz) in Frage. Wenn diese Bestimmung von der Kommission als vergleichbar wirksam eingestuft wird, könnte sich somit die Umsetzung der Zinsschranke in Österreich – falls politisch gewollt – bis längstens 1.1.2024 verzögern.
7. Gilt die Zinsschranke auch für bestehende Finanzierungen?
In der EU-Richtlinie ist eine Bestandschutzklausel enthalten. Sie räumt den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit ein, Darlehen bzw. Kredite, die vor dem 17. Juni 2016 abgeschlossen wurden, von der Neuregelung auszunehmen. Die Ausnahme umfasst allerdings nicht spätere Änderungen von Darlehens- bzw. Kreditverträgen, die bereits vor dem 17. Juni 2016 abgeschlossen wurden.
Diese Klausel ist eine „Kann-Bestimmung“. Somit steht es Österreich frei, Darlehen/Kredite, die vor dem 17. Juni 2016 abgeschlossen werden, von der EU-Zinsschranke ausnehmen. Ob der österreichische Gesetzgeber tatsächlich Bestandschutz gewähren wird, bleibt abzuwarten.
8. Was sollte im Hinblick auf die Zinsschranke bereits jetzt beachtet werden?
TPA Tipps:
- Innerhalb von Konzernen sollte auf eine möglichst gleichmäßige bzw. zweckmäßige Verteilung der Finanzierungskosten auf die einzelnen Konzernunternehmen geachtet werden.
- Wenn eine Refinanzierung bestehender Darlehen/Kredite überlegt wird oder langfristige Altdarlehen geändert werden sollen, empfiehlt es sich, vorab allfällige Auswirkungen durch die EU-Zinsschranke zu überprüfen.
- Unternehmensspezifisch ist zu prüfen, ob Fremdkapitalzinsen für die Herstellung von Gegenständen des Anlage- oder Umlaufvermögens (zB großvolumige Immobilienprojekte) anfallen. Fremdkapitalzinsen können in diesem Fall für die Dauer des Herstellungszeitraums als sogenannte „Bauzeitzinsen“ aktiviert werden. Die Zinsschranke sollte für diese Fälle nicht greifen.
- Sobald konkrete Informationen über die voraussichtliche Umsetzung der Zinsschranke in Österreich vorliegen, können weitere Maßnahmen und Optimierungen des Zinsabzugs (bspw. Umgründungen, Bildung steuerlicher Unternehmensgruppen, Anwendungen allfälliger Ausnahmen von der Zinsschranke) überlegt werden.
9. Resümee – Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik
Die Einführung einer Zinsschranke kommt in Österreich einem Paradigmenwechsel in der Steuerpolitik gleich, da nach der bisherigen Rechtsprechung der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit besteht.
Es ist derzeit davon auszugehen, dass die Einführung in Österreich möglichst spät erfolgen wird. Eine Sicherheit dafür gibt es zum aktuellen Zeitpunkt jedoch nicht. Die weitere nationale Umsetzung, speziell auch was mögliche Ausnahmen von der EU-Zinsschranke betrifft, bleibt abzuwarten, und wird Teil der (steuer-)politischen Willensbildung in Österreich sein.
Die EU-Richtlinie ist ein klarer Hinweis auf künftige Entwicklungen in der europäischen und somit auch österreichischen Steuerpolitik.
- Digitale Steuermodelle: Aktuelle Steueränderungen aufgrund der Digitalisierung (Industry 4.0)
Hier finden Sie noch mehr Informationen:
- Gewinnfreibetrag: Das ist heuer für Unternehmer noch zu beachten!
- Sollten Sie steuerliche Fragen haben, dann kontaktieren Sie unsere Steuerberater in Ihrer Nähe
- Weitere aktuelle Steueränderungen und Steuertipps: News-Übersicht
- Steuer-Highlights Österreich: Das 1×1 der Steuern